Fischereinothafen

Die Erneuerung eines Ostseezugangs für Prerow, Zingst und Barth wurde also lange nur sporadisch und eher halbherzig verfolgt. Das änderte sich um das Jahr 1914. In jenem Jahr nahmen die Bemühungen um einen Durchstich einen deutlichen Aufschwung. Zunächst wurden 1914 sowohl in Prerow, in Zingst und in Barth unabhängig von einander – und dabei vor allem in der Konstellation Prerow auf der einen sowie Zingst und Barth auf der anderen und insofern gegeneinander wirkend – Denkschriften zur Erreichung dieses Ziels erarbeitet.

 

Offenbar bestand zwischen Prerow und Zingst Übereinstimmung darin, daß es in der Region einer Verbindung zwischen Bodden und Ostsee bedarf. An/in 1914 reichte die Gemeinde Prerow an die Agrar-Kommission des Hohen Hauses der Abgeordneten eine Petition ein, betreffend die Anlage eines Fischereihafens bei Prerow. Der Hafen solle am Prerower Strom errichtet werden und über einen Durchstich mit der Ostsee verbunden werden. Die Anlage eines Hafens am Darßer Ort wurde verworfen, weil dieser zu abgelegen und möglichen Stürmen auf der See ausgesetzt sei, die in einem solchen Fall die Schiffe im Hafen festhalten würden.

 

Die Prerower Denkschrift schien die Zingster aufgeschreckt zu haben, die nun ihrerseits eine Denkschrift einreichten, in der sie gegen Prerow Stellung bezogen und die Vorteile eines Straminke-Durchstiches hervorheben. Zunächst ähneln sich die Argumente, doch Zingst nimmt für sich die Nähe zu Barth und die mögliche schnellere Entwässerung des Boddens im Falle eines Sturmhochwassers in Anspruch. Für letzteres ziehen die Zingster das Hochwasser von 1625 heran: Hätte es damals eine Öffnung bei Straminke gegeben, hätte sich das Wasser viel schneller zurückziehen können, bevor es so starke Schäden hätte verursachen können.

 

Offenbar gab es wohl 1914 eine dritte Denkschrift, nämlich eine Petition der Barther Kaufmannskompanie und des Barther Bürgervereins: Nach einem Vergleich der Argumente von Seiten Prerows mit denen aus Zingst: „Nun aber kommt noch ein Umstand hinzu, der dem Fischereihafen in Verbindung mit einem Durchstich bei Straminke bei weitem den Vorzug geben dürfte. Das ist die große Bedeutung, welche er für die Hafenstadt Barth haben würde.“ Aus der Prerower Denkschrift lesen wir, daß die Barther einen Durchstich mit Hafenanlage als eine „nationale Tat“ hervorhoben, weil die Belebung des Schiffbaus und der Schiffahrt eine Folge des Durchstiches mit Hafenanlage wäre.(vgl. 26)

 

Aber die Zeiten waren wohl 1914 für solche Vorhaben nicht gerade günstig, über eine Verhandlung dieser Denkschriften ist nichts bekannt. Doch mit diesem von drei Seiten und damit von allen Interessenten erfolgten Vorstoß war offenbar eine Entwicklung eingeleitet, die nicht mehr aufzuhalten war.

 

Barth wurde weiter tätig. Am 7. Dezember 1917 wurde eine Sitzung des Magistrats mit dem bürgerschaftlichen Kollegium anberaumt. Nach der Verlesung eines Schreibens des Grafen von der Gröben auf Divitz an den Bürgermeister wurde eine Kommission gebildet, die den Auftrag erhielt, eine Petition für den Straminke-Durchstich auszuarbeiten. Schon am 11. Januar 1918 legte die Kommission ihr Gesuch an den Minister der öffentlichen Arbeiten in Berlin vor.

 

Nach der Erwähnung der bereits lange währenden Diskussion um die Anlage eines Fischereihafens wird mit der möglichen Entwicklung der Fischerei, ihrer Bedeutung für die Versorgung der Bevölkerung sowie der Kriegsmarine und für die Landwirtschaft argumentiert. Dabei wird der Straminkedurchstich auf einer Länge von 1,5 km, verbunden mit einer 500 m langen Molenanlage favorisiert – letztere würde auch für den Küstenschutz eine große Bedeutung haben. Die Vorteile des Durchstichs werden in 5 Punkten zusammengefaßt, diese sind:

 

1) die gar nicht zu übersehende Hebung des Handels und der Industrie in hiesiger Gegend, Dampferverkehr und Schonerverkehr mit den Häfen der Ost- und auch der Nordsee;

2) Die Ansässigmachung einer Seefahrt und Fischerei treibenden Bevölkerung, die ständigen Ersatz für die Marine liefert;

3) die nicht zu unterschätzende Bedeutung für die Landwirtschaft, von deren Wiesen das alljährlich eintretende Hochwasser leicht und schnell abfließen würde. (Siehe anliegende Eingabe der Landwirte vom Jahre 1914.) …

4) die Möglichkeit, daß der Durchstich auch einmal für die Marine eine Rolle spielen könnte (Torpedobootshafen);

5) die große Bedeutung für den Küstenschutz, den die Molen gegen das Abradieren des Zingster Strandes, welches durch die Strandvertriftung nach Ost und West hervorgerufen wird, bieten würden.“ (26, Bl. 127f)

 

Aus dieser Zeit stammt eine weitere Stellungnahme „Im Auftrage der Kommission zur Vorbereitung des Durchstiches bei Straminke“ , die in besonderer Weise schon im Titel politisch argumentiert: „Der Durchstich der Straminke bei Zingst, ein bedeutender Schritt auf dem Wege zu neuen, wirtschaftlichen Höhe unseres Vaterlandes“. Und die beginnt: „Durchdrungen von dem Bewusstsein, dass angesichts der ungeheuren, wirtschaftlichen Not unseres Volkes jeder von uns die heilige Pflicht hat, mit allen nur erreichbaren Mitteln und Kräften neue Wege zu finden, um zur wirtschaftlichen Gesundung Deutschlands zu kommen“ (26), usw.

 

Nun kam Bewegung in die Angelegenheit. Offenbar wurde die Eingabe an den Minister bearbeitet, denn am 18. September 1918 schreibt der Stralsunder Regierungspräsident an den Barther Bürgermeister davon, daß er vom Minister der öffentlichen Arbeiten und der Minister für Landwirtschaft, Domänen und Forsten mit der Ausarbeitung der Planung eines „Fischereizufluchtshafens“ bei Zingst beauftragt sei. Es solle in Barth eine Beratung vor allem zu den Kosten erfolgen. Diese Beratung fand auch tatsächlich am 1. Oktober 1918 unter Vorsitz des Regierungspräsidenten, des Barther Bürgermeisters Rose, des Kämmerers sowie Vertretern des bürgerschaftlichen Kollegiums, darunter dessen Vorstehers Holzerland statt, brachte aber nicht den gewünschten Erfolg. Es sollte lediglich ein Fischereihafen an der Ostsee mit Mole und Bahnanschluß auf der Höhe der alten Straminke-Mündung angelegt werden. Die Kosten für einen Durchstich können nicht getragen werden. Zudem wurde ausdrücklich gesagt, „Bei der Anlegung des Hafens würde lediglich auf die Fischereifahrzeuge Bedacht genommen werden, dagegen würde auf die Handelsschiffahrt keinerlei Rücksicht genommen werden.“ (26, Bl. 69)

 

Die Kosten sollten gemeinsam aufgebracht werden vom Fischereiverband für Neuvorpommern und Rügen, die Kriegsfischgesellschaft, die Gemeinde Zingst, die Stadt Barth, die Stadt Stralsund, die Kreise Franzburg, Rügen, Grimmen, Greifswald und die Provinz Pommern. Ausdrücklich wurde betont, daß damit das Durchstich-Projekt nicht berührt werde und „Der Hafen soll bei Straminke angelegt und so eingerichtet werden, daß durch Verlängerung der Mole und Vertiefung der Zufuhr die Herstellung eines Durchstiches in Tiefe von 4 ½ Mtr. mit Leichtigkeit jederzeit vorgenommen werden könne.“ (26, Bl. 70f)

 

Aber ab dem Jahre 1920 ging es nicht nur um einen Fischereinothafen sondern um ein Jahrhundertprojekt, mit dem Namen Trajektverbindung (Deutschland - Schweden), mehr